Dienstag, 28. Dezember 2021
Im Jahre 1904 legte der hochgebildete und später hochdekorierte britische Geograph Halford Mackinder der Royal Geographical Society zu London seinen Aufsatz „The geographical pivot of history“ vor, welches für die Geopolitik des British Empire und für die Entwicklungen des 20. Jahrhunderts das wohl einflussreichste Werk wurde. Mackinder war im Jahr 1887 Lektor für Geographie an der University of Oxford geworden, die bis dahin höchstmögliche Stellung für Geographen in Großbritannien. Außerdem war er Mitbegründer der weltberühmten „London School of Economics“. Von 1903 bis 1908 fungierte er als deren Direktor.
Seine in jenem Artikel vorgestellten Thesen wurden bald als die „Heartland-Theorie“ bekannt und bilden laut Aussage des Gründers der „Intelligence Corporation“ Stratfor („strategic forecasting“), George Friedman, noch heute den Kern der angloamerikanischen Geopolitik. Die „Heartland-Theorie“ besagt, grob zusammengefasst, dass der „pivot“, der Dreh- und Angelpunkt der Weltentwicklung im 20. und 21. Jahrhundert, das „Heartland“ sein wird. Die „Pivot Area“ liegt im Zentrum der „Weltinsel“ Eurasia. Sie erstreckt sich von der Wolga bis zum Jangtsekiang und vom Himalaya bis zur Arktis. Zufällig ist es das Gebiet, das zu Mackinders Zeit vom Zar des Russischen Reiches beherrscht wurde. Ab 1917 wurde es von der Sowjets und seit der Jahrtausendwende von Wladimir Wladimirowitsch Putin regiert.
Zu Zeiten Hitlers und Stalins hatte der Westen, damals noch angeführt von den Briten, einen „Cordon Sanitär“ – eine neutrale Zone – zwischen Deutschland und dem Sowjetreich geschaffen, angeblich um Stalins Expansionsgelüste nach Westen einzudämmen. Nach 1989, als der Osten aufgrund seiner „sozialistischen Planwirtschaft“ pleite ging, machten sich die Angloamerikaner sofort daran, diesen „Cordon Sanitaire“ neu zu errichten. Diesmal aber nicht, um eventuelle Expansionsgelüste Putins in Richtung Westen abzupuffern, sondern um eine zukünftige Allianz zwischen Russen, Deutschen und Franzosen zu verhindern und um näher an die Grenzen der „Pivot Area“ heranrücken zu können. Denn die großen Weltreserven an Bodenschätzen, nicht nur an Erdgas und Erdöl, sondern auch an Edelmetallen und seltenen Erden, liegen jenseits des Urals und gehören damit dem russischen Volk. Diese „Ungerechtigkeit“ muss zugunsten des „Westens“ geändert werden! Deshalb hat dieser Russland in den ersten zwei Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts entgegen seinen stets anderslautenden Beteuerungen immer konsequenter eingekreist.
Der russische Bär hat diese neuerliche Umklammerung bislang brummend hingenommen. Mit der fortschreitenden Einbeziehung der Ukraine in den Cordon ist er jetzt aber wütend geworden. Er hat die Heartlandtheorie des Halford Mackinder und seine eigene weltpolitische Stellung endlich begriffen. Wie die Streitereien um die dringend benötigten Energielieferungen der letzten Wochen dieses zu Ende gehenden Jahres 2021 deutlich gezeigt haben, sind die Deutschen und die Franzosen entgegen allen Bemühungen der Angelsachsen zwangsläufig Verbündete der russischen Völker. Nur unsere derzeitigen Regierenden haben das offenbar noch nicht bemerkt!
Und nun schickt sich Russland an, um sich herum seinen „Cordon Sanitär“ zu errichten.