Montag, 26. Januar 2020
Explantation wird allgemein als Auspflanzung übersetzt. In der Transplantationsmedizin wird es jedoch eher als Ausschlachtung verstanden.
Der deutsche Bundestag hat am 16. Januar dieses Jahres ein Gesetz beschlossen, welches die Organspendebereitschaft der Deutschen steigern helfen soll. Herausgekommen ist eine sogenannte verbesserte Entscheidungslösung, die besagt, dass der potentielle Spender oder seine Angehörigen die Organspendebereitschaft weiterhin definitiv bekunden müssen und dazu auch wie bisher die Regeln zur Feststellung seines Todes – nämlich der definitive Hirntod – eingehalten werden müssen. Die Abstimmung zu den drei verschiedenen Gesetzeseinbringungen im obersten deutschen Parlament zeigte, dass in diesem noch nicht alle Volksvertreter dem intellektuellen Hirntod erlegen sind, wenn dies auf anderen wichtigen Feldern der Politik auch manchmal so scheinen mag.
Ziel dieser Gesetzesnovellierung war es, die persönliche Entscheidung der Spendewilligen besser zu registrieren, verbindliche Information und bessere Aufklärung zu gewährleisten und die regelmäßige Auseinandersetzung mit dieser Thematik zu fördern.
Allerdings fiel dem aufmerksamen Beobachter der kontroversen Diskussion im Hohen Hause auf, dass niemand der Abgeordneten auch nur die geringste Idee dazu hatte, dass die Regeln zur Feststellung des Hirntodes nach heutigem Wissensstand möglicherweise einer näheren und neueren Betrachtung unterzogen werden müssen. Welchem Druck Angehörige, Ärzte und Wartende im Falle einer der am häufigsten auftretenden Variante des vermeintlichen Unfalltodes ausgesetzt sind, können wohl nur die ermessen, die dies bereits einmal erlebt haben.
Als einer der ersten, die tiefgehend über das Dilemma und die mentalen, moralischen und ethischen Folgen von Organ- Ex- und -implantation nachgedacht haben, gilt wohl der 1993 verstorbene deutsch-amerikanische Philosoph Hans Jonas. Ausgehend von seinen Schriften fragen auch wir unten, ob man überhaupt erfolgreich Organe entnehmen kann, wenn der Mensch tot ist. Oder ist es gar nicht möglich, ein Organ von einem Toten zu entnehmen, um sie einem anderen, der es zum Weiterleben dringend benötigt, einzupflanzen, weil dieses Organ ebenfalls bereits tot ist?
Ist die „Definition des Todes“ möglicherweise derart gestaltet, dass der Erfolg einer Explantation gewährleistet wird? Wird in unserem Wertekodex der Vorrang des Weiterlebens des „weniger Toten“ gegenüber dem bereits fast Toten eingeräumt? Ist die Ethik des verzweifelt auf eine lebenswichtige Organspende Wartenden „besser“ als die des Spendenverweigerers? Ist die Überwachung der Explantationen wirklich ausreichend gesichert und wie oft darf ein Todespatient ein Ersatzorgan anfordern? Bestimmt auch auf diesem Gebiet die Nachfrage das Angebot und mahlt am Ende der zuerst, der am meisten zahlen kann? Beispiele gefällig? Vielleicht nicht in Deutschland – aber nachweislich anderswo in dieser Welt!
Vielleicht brauchen wir eine ganz andere Todesethik, nachdem wir feststellen müssen, dass die Medizin in bis noch vor kurzem schier unglaubliche Bereiche vorgedrungen ist, die finanziellen Mittel zu deren Umsetzung jedoch nur von einer geringen Anzahl von Mitmenschen aufgebracht werden kann.