Sonntag, 18. Februar 2018
Noch bis ins 20. Jahrhundert mussten wissenschaftliche Arbeiten in lateinischer Sprache verfasst werden. Bis weit in die Neuzeit hinein war Latein die Sprache der Wissenschaft schlechthin – ob in Philosophie, Theologie, Rechtsprechung, Medizin oder den Naturwissenschaften. Seit Carl von Linnés „Systema Naturae“ (1735) werden auf Grund internationaler Vereinbarungen bis heute alle neu entdeckten Arten von Lebewesen mit lateinischen Bezeichnungen versehen. Aktuell warten beispielsweise mindestens drei Millionen Bakterien noch auf ihre lateinischen Namen.
Die Sprache des Römischen Weltreiches erfuhr besonders nach der so genannten Konstantinischen Wende zum „Imperium Romanum Christianum“ nochmals einen gewaltigen Bedeutungsschub, der bis heute nicht verblasst ist und den z.B. das Spanische und selbst das Englische nicht übertreffen konnten. Dennoch: Die Sprache des 21. Jahrhunderts für Wissenschaft, Kultur und Medien ist das Englische (Amerikanische); und auch im Umgangssprachlichen setzt es sich in der ganzen Welt, selbst in den neu aufsteigenden ostasiatischen Mächten, unaufhaltsam durch. Seit dem Siegeszug der IT-Technologien und den genialen Erfindungen des Smartphones und der Socialmedias kann man davon ausgehen, dass das Englische als dominierende Weltsprache noch weit über den bereits absehbaren Untergang des angelsächsischen Imperiums hinausreichen wird. Deshalb müssen nicht nur wir hier unten uns immer wieder mit Anglizismen auseinandersetzen, deren oftmals widersprüchliche Bedeutungsinhalte für die allgemeine Meinungsbildung Geltung erlangt haben.
Einen erheblichen Beitrag zur westlichen Meinungsmache haben z. B. die Social Justice Warriors (SJW) geleistet. Die „Krieger für soziale Gerechtigkeit, Gleichstellung und Antidiskriminierung“ hatten es bis zur Jahrtausendwende geschafft, ihre Begriffehoheit über den gesamten Politikhorizont der westlichen Gesellschaften zu spannen. Dabei spielte die unablässig geforderte „Political Correctness“ eine zentrale Rolle. In der Gegenwart ist politisch korrekt, wer die geistige und moralische Überlegenheit des Westens nicht anzweifelt, selbst dann noch, wenn politische Entscheidungen und ethische Standards nur von einer kleinen Elite diktiert werden. Die Kunst der doppelten Standards und der Doppelmoral wurde zu ungeahnten Höhen entwickelt und über die Medienkartelle bis in den kleinsten Winkel der Gesellschaften hineingetragen.
Der große britische Philosoph und Logiker Bertrand Russell hatte allerdings bereits erkannt: „Die moderne Menschheit hat zwei Arten von Moral: Eine, die sie predigt, aber nicht anwendet, und eine andere, die sie anwendet, aber nicht predigt.“ Inzwischen dürfen die Social Justice Warriors ungestraft jeden Menschen, der eine von ihren Auffassungen abweichende Meinung äußert, medial öffentlich exekutieren und sich wie in Orwells 1984 als korrigierende, totalitäre Welt-Instanz in Szene setzen. Selbstherrlich moralisierend stellen sie sich über alle anderen Mitmenschen. Glücklicherweise zerstören sie damit ihre eigene Glaubwürdigkeit. Aufklärung haben sie in Dogmatismus und Ethik in Gesinnungsdiktatur verwandelt. Und sie ignorieren, dass sich Einsichten und Ansichten der Menschen nach dem Gaußschen Normalverteilungsgesetz verbreiten. Neben „linken“ und „rechten“, „roten“, grünen“, „schwarzen“ und „braunen“ Ansichten gibt es solche der Mitte und solche der „Oberen“ und der „Unteren“.
Niemand kann endgültig wissen, was wahr und was richtig ist! Deshalb ist die Menschheit zur Vermeidung ihres Untergangs auf – wirkliche – demokratische Politikprozesse angewiesen, auch wenn damit das Problem der Minderheiten und relativen Mehrheiten ungelöst bleiben muss. Mittlerweile ist, vor allem von Amerika ausgehend, eine Trendwende im politischen Disput zu verzeichnen, weil die andauernde Realitätsverweigerung der SJW derartige Stilblüten treibt, dass große Teile der Gesellschaft sich stark an mittelalterlichen Hexenwahn erinnert fühlen.
Niemand sollte sich also vor Gesinnungsterror und Meinungsdiktatur der letzten Social Justice Warriors dieser Welt fürchten! Vielmehr sollte jedermann seinen eigenen Kopf gebrauchen und sich für Meinungsvielfalt von links bis rechts und von unten bis oben einsetzen und sich im politischen Disput an die wahren Worte der polnischen Jüdin Rosa Luxemburg erinnern: „Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für Mitglieder einer Partei – mögen sie noch so zahlreich sein – ist keine Freiheit. Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden. Nicht wegen des Fanatismus der Gerechtigkeit, sondern weil all das Belebende, Heilsame und Reinigende der politischen Freiheit an diesem Wesen hängt und seine Wirkung versagt, wenn Freiheit zum Privilegium wird.“
Noch ein Social Justice Warrior .
Und ein interessantes Interview mit dem „linken“ Philosophen Robert Pfaller, das übrigens außerdem beweist, wie „vorgeprägt“ unsere Denkmatrizen sind. Mit beinahe erheiternder Selbstverständlichkeit nimmt Burchardt an, dass Fortschritt für die Gesellschaft nur von links kommen kann 🙂