Die Lust am Morden

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Sonnabend, 4. November 2023

Bereits während der so genannten Corona-Zeit habe ich mich gefragt, woher diese seltsame Lust des Menschen am Morden rührt. Verhaltensforscher wie Iwan Pawlow, Konrad Lorenz oder Frans de Waal haben uns über diese menschheitsbewegende Frage meiner Meinung nach nur sehr unzureichend Auskunft gegeben. Immerhin haben sie festgestellt, dass Mordlust bei Tieren nur selten zu beobachten ist, so zum Beispiel allerdings bei Löwen und Bären. Manchmal auch bei Affen. Doch seien diese Beobachtungen eher Ausnahmen gewesen und hätten statistisch kaum eine Rolle gespielt.

Anders offensichtlich bei den Menschen: Anthropologen und Bibelforscher verkündeten zwar die Lehre, dass mit der Ablehnung des Abrahamitischen Sohnesopfers durch Jahve die Zeit des Kannibalismus und der rituellen Menschenschlächterei ihr Ende gefunden habe. Isaak durfte Leben, weil sich der Gott der Juden hinfort auch mit Tieropfern zufrieden gab. Allerdings hatten die Ostasiaten und die mesoamerikanischen Völker davon bis zum Eintreffen der Spanier noch nichts gehört und erst die jesuitischen Missionare der Conquista machten deren eigentümlichen Mordritualen ein Ende, indem sie die indigene Gesellschaft bis zu 90 Prozent liquidierten…

Seither gewann dieser Brauch die Herzen und Hirne der Menschheit: Die Lust am kriegerischen Massenmord. Zur richtigen Blüte gelangten derlei Großschlachtereien aber erst mit der Erfindung des Schießpulvers. Das Töten mit Lanze und Schwert war irgendwie unrentabel geworden. Mit Gewehren und Kanonen funktionierte dies ungleich schneller. Schließlich wurde als todbringendste Variante, Mitmenschen in das himmlische oder höllische Jenseits zu befördern, das Bomben erfunden. Coventry, Dresden, Hiroshima und Nagasaki lassen grüßen. Diese Art, menschliche Massaker zu begehen, hat den unschätzbaren Vorteil, dass die Massenmörder einen hinlänglich großen mentalen Abstand zu ihren Opfern besitzen. So kann man auch diejenigen, die schlecht über die Mordhemmschwelle hinüberkommen, zu exzellenten Menschenvernichtern abrichten.

Damit ist die derzeitige Mordlust der Menschheit aber nicht erklärt! Man kennt es zwar selber, dass man bei gewissen Beobachtungen urplötzlich von Gewaltfantasien erfasst wird. Zum Beispiel, wenn schwarzhaarige oder weißhaarige deutsche Politikerinnen unverblümt zu Krieg und Gewalt aufrufen, obwohl sie selbst noch nie eine Kriegserfahrung, weder aktiv noch passiv, gemacht oder gar jemanden getötet haben.

Und es ist ja auch schwer, pazifistisch und gewaltablehnend zu bleiben, wenn einem seit frühester Jugend tagtäglich zur „Unterhaltung“ massenhaft Gewaltpornografie dargeboten wird. Hunderte von virtuellen Morden jeden Abend im Fernsehen. Führend dabei die „Thriller“ der amerikanischen Hollywood-Filmindustrie. Aber auch die deutschen Produzenten von Dauerkrimiserien und Kriegsfilmen stehen diesen Protagonisten von Mord und Totschlag in nichts nach. Und wenn gar nichts mehr hilft, die abgestumpfte Menschheit aus ihrer Indolenz hochzureißen, müssen Gräuelmärchen von abgehackten Kinderhändchen, zertrümmerten Babybrutkästen und zertrampelten Kinderköpfen herhalten, um die Lust am Morden anzufachen.

Meinereiner hegt den Verdacht, dass diese Art von Meinungsmache unsere Hormonproduktion stark beeinflusst. Je mehr wir derartige Machwerke konsumieren, desto mehr Mordlust staut sich in unserem Geist und Körper an. Oder haben Sie, liebe Leserschaft, eine bessere Erklärung dafür, dass mit unschöner Regelmäßigkeit solche Massenhysterien der Mordlust über die menschliche Gesellschaft fluten, wie wir sie gegenwärtig wieder erleben?